LESEPROBE

FARBENWALD

https://www.youtube.com/edit?o=U&video_id=g6_NPAcU09s

 

OPA, DU NERVST

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Wer hat keinen Opa? Keinen Opa gibt’s nicht! Jeder Mensch hat zwei. Vielleicht hast du sie gar nicht gekannt. Wichtig ist, ob sie mit dir Zeit verbracht haben, mit dir gespielt und gelacht haben. Hoffentlich spielen sie noch. Oder sie sind dir in guter Erinnerung, in Bildern und Geschichten. Es gibt auch Opas zum Träumen.

Einen meiner Opas kenne ich nur von alten Fotografien. Der andere ist gestorben, da war ich 18 Jahre alt. Jetzt bin ich 65 und selber Opa. Und stell dir vor, ich hab auch jetzt wieder einen! Den komischen Opa da links. Ich hab ihn mir eingebildet, in Gedanken ausgemalt und ihm ein bisschen was von mir selber zugeschrieben.

Andere Opas finden sich da sicher auch drinnen. Vielleicht sogar deine.

Dass mein Opa nervt, ist mir einmal so herausgerutscht. Opa, du nervst!, hab ich gesagt. Es ist eine Übertreibung, nur eine Behauptung. Aber er übertreibt ja schon auch. Muss er in seinem Alter wirklich noch Eis laufen zum Beispiel? Ziemlich rutschige Sache – und gefährlich. Muss er überall dabei sein? Und alles will er können – und sein. Alle machen sich Sorgen.

Andererseits hat er viel Spaß, das tut ihm gut. Und dir auch, wenn du mit ihm lachen kannst. Und reden und…

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Die Patschen sucht er dann, da kann er gar nicht mehr aufhören. Die muss er finden, das gibt’s ja gar nicht. Die müssen doch irgendwo sein. Ja irgendwo schon, aber wer hat sie schon wieder dort irgendwo fallen und liegen lassen.
Im Erdgeschoß, im 1. Stock und im Keller können sie nicht sein. Und er kramt herum und schaut in jedes Eck. Im Einkaufskorb sind sie nicht und in der Vase – das gibt’s ja gar nicht, daran könnte er sich ganz bestimmt erinnern, dass er sie in die Vase gestopft hätte. Er schaut überall drunter und dreht alles drüber und denkt sich irgendwann: Die Oma hat sie weggeräumt. Das ist ja wie versteckt, und er ruft schon nach ihr. Wo hat sie nur die Patschen hin? Oma weiß von nichts. Und nach einer Zeit, schau an, da hat er sie wieder an seinen Füßen.

 

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Und warum nur vorstellen, denkt mein Opa gleich. So ein Gugelhupf ist wohl keine Hexerei. Die Oma wird einen machen, ganz so wie er früher war. Mit Staubzucker drauf. Und riechen wird er, und ein bissel warm wird er auch noch sein. Opa sieht sich schon mit Messer und Gabel und Augen, die immer größer werden, und seine Zunge fährt über die Lippen, als wären da schon letzte Brösel als Nachspiel und Nachgeschmack. Ja er freut sich schon richtig darauf, weil Gugelhupf, den hat er schon länger nicht mehr gehabt (die Oma sagt: letzte Woche), er weiß eigentlich gar nicht mehr, wann zum letzten Mal…
So gräbt er in seinem Gedächtnis, da zerbröseln die Bilder ganz.

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Zuerst einmal da decken wir dich zu mit deiner Gitarre, die hängt dir richtig gut um den Hals und liegt dir in der Hand, als hättest du sie niemals losgelassen. Du bist wahrscheinlich ein Heimlicher und hast geübt – Luftgitarre. Elektrische. Tschawamm, tschirrlamm, ploingg zsamm! Man könnte glauben, du bist als Rocker auf die Welt gekommen. Linke Hand am luftigen Gitarrenhals und rechte Finger plirrdilirr!, die Saiten schwirren schwingen, klingen. Und dein Blick, dein alter Opablick ist weg, du hast die Augen voller Sound und Stampfen und Drücken und Klampfen.
Geil, Oida, supa!

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Ja, ja, mein Opa ist ein bunter Hund. Das heißt, er überrascht dich immer wieder und mich auch. Das hätte ich ihm nicht zugetraut. Einmal so, dann so, dann wieder anders. Wer Rot sagt, kann auch Blau sagen. Wer Regenbögen liebt, der ist ein bisschen selber einer. Und Lila und Gelb, und ja: Auf allen Farben lässt sich reiten. Kommt auf die Stimmung an. Er saust zwischen Wolken im Farbstiftritt dahin und winkt mir zu. Da unten steh ich und schau zu ihm auf und staune. Opa, du bist mir einer! Auf jeden Fall meiner. Das Leben in vollen Farben genießen, jubelt er und fliegt in ein schwarzes Loch – und kommt auf einer bunten Lawine wieder heraus. Kurz bleibt er stehen, ich sitze auf, meine Hände klammern um seinen Bauch, dann heben wir zwei ab, und das kann so viel heißen.

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Meine Hand in seiner Hand. Er sagt nichts, er drückt nur, und ich weiß Bescheid. Einmal drücken: Aufgepasst! Zweimal: Mach ma was? Dreimal: Wald! Da drück ich gar nicht mehr zurück bei dem Angebot. Es gibt kein Besseres.
Schon sind wir hinterm Haus, und der Vogelklang lockt uns hinein, und die Nadelbäume verschlucken uns, und der Schwammerlduft lenkt uns, immer tiefer. Das Licht spielt mit uns, hell und dunkel. Und wir spielen zurück: Verstecken. Der Opa versteckt sich, er ist immer dran, weil es ihm nicht gelingt, dass ich ihn nicht find. Er sucht sich viel zu dünne Bäume aus, ich weiß nicht warum.

 

…und viele andere Bilder und kleine Geschichten.

Bestellungen: haraldgordon@hotmail.com oder 0664 4697388

11,90 Euro (bei Versand Porto)

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